Weißes Gold aus dem Kratersee

Kurz vor Sonnenaufgang steigen Arnold Kabuzi und seine Frau Rachel auf den Kraterrand. Unten, im Krater, liegt ein etwa 2,5 km² großer, im Morgenlicht rot-dunkelblau schimmernder See – der Arbeitsplatz von Arnold und Rachel. Der Kratersalzsee im Südwesten Ugandas ist nur einer von vielen mineralhaltigen Seen im ostafrikanischen Grabenbruch, eine der tektonisch aktivsten Zonen der Welt. Dieser See hat einen besonders hohen Salzgehalt. Daher lohnt sich, hier einzigartig in Uganda, der Abbau verschiedener Salzsorten.

Arnold und Rachel sind zwei von etwa zehntausend Menschen, die in dieser Region vom Salzabbau leben. In der entlegenen Region, nahe der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo und überschattet von den bis zu 5000 Meter hohen Bergen des Rwenzori Gebirges, gibt es kaum alternative Einnahmequellen. Nahezu jede Familie besitzt hier ein bis zwei Salzbecken, in denen seit 600 Jahren traditionell Salz abgebaut wird.

„In andern Regionen kann man Getreide anbauen.“ erklärt Arnold. „Hier geht das nicht. Das Land ist zu nichts anderem zu gebrauchen. Das einzige, wovon wir leben, ist das Salz!“

Arnold geht zu seinen Kollegen, die bereits damit begonnen haben, die Flöße vorzubereiten, mit denen sie täglich auf den See hinausfahren. Während die Männer vom Grund des Sees Salz niederer Qualität fördern, zur Verwendung für Tiere und zur Fellverarbeitung, macht sich Rachel an einem der über 2000 Salzbecken am Rande des Sees zu schaffen. In der Regel ist es die Aufgabe der Frauen, die etwa 8 m² großen Becken zu bewirtschaften. In diesen wird Kisura, das weiße, für den Verzehr durch Menschen geeignete Salz, angebaut. Erst bei der Ernte des Salzes packt die ganze Familie mit an.

Geerntet wird alle 3-5 Monate, je nach Intensivität der Regenzeiten. Bis es jedoch soweit ist, zerstört Rachel jeden Tag die Salzkristalle an der Oberfläche, damit das Wasser verdunstet und sich das Salz auf dem Boden des Beckens ablagert.

Zwei bis dreimal im Jahr werden die aus Lehm und Zyperngras gebauten Becken mit dem mineralhaltigen Wasser des Sees gefüllt. Durch die starke Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser, das gelöste Salz wird freigesetzt und lagert sich in einer schneeweiße Schicht am Grund des Beckens ab. Doch die Arbeit in dem Salzwasser ist mühsam. Das Salz zerstört die Haut. Wunden heilen nicht oder werden sogar größer. Wenn Arnold und Rachel am späten Nachmittag nach Hause laufen sind sie dehydriert und ihre Haut ist von einer weißen Salzschicht überzogen.

Der durchschnittliche Tagesverdienst liegt bei unter einem Dollar am Tag. In der Trockenzeit, wenn der Wasserspiegel im See sinkt, schafft Arnold täglich 500 kg aus dem See. In der Regenzeit ist das nicht möglich. Für 100 kg Salz bekommt man etwa 20.000 Ugandische Schilling – das sind etwa 6,50 Euro.

Das hier geförderte Salz wird zu seinem größten Teil in die Nachbarländer exportiert – in den Sudan, nach Ruanda und in die Demokratische Republik Kongo. 500 Millionen Schilling an Steuern (160.000 Euro) fließen so jährlich in die Kassen der zuständigen Behörden in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. „Von diesen Geldern haben wir noch nie etwas gesehen!“ Arnold zuckt mit den Schultern. Tatsächlich ist die Infrastruktur rund um den Krater kaum ausgebaut. Es gibt keine geteerten Straßen. Der Zugang zum See ist ganzjährig nur zu Fuß möglich.

Dabei bestünde Handlungsbedarf. Trotz des Abbaus von Salz im eigenen Lande importiert Uganda jährlich etwa 60.000 Tonnen Salz. Unkontrollierte Abholzung des Baumbestandes am Kraterrand und Wassermissmanagement führen außerdem zu einem stetigen Schrumpfen der Wasseroberfläche. Schon in zehn Jahren könnte der See ausgetrocknet sein – dann gäbe es weder Salz, noch Steuereinnahmen.



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